Seit Gluten „böse“ ist, ändert sich für Bohnen, Linsen und Erbsen so einiges. Was genau, habe ich mir dieses Jahr auf der größten Weltleitmesse im Bio-Lebensmittelbereich, der Biofach 2016 in Nürnberg, angeschaut.

Die Bohnen-Nudel kommt

Weil Gluten weg muss, dürfen Erbsen, Linsen und Bohnen rein. In New York, der wohl gluten-freiesten Stadt überhaupt, tummeln sie sich schon länger in den Regalen. Nun werden ihnen auch hier die Ladentüren geöffnet: die Hülsenfrucht-Nudel darf rein, und das in allen Variationen. Ob rote Linsen-Spirelli, schwarze Bohnen-Spaghetti oder Kichererbsen-Fettucine; fast jede Hülsenfrucht und jede Form ist mit dabei. Laut Verpackungen stecken 100% Hülsenfrucht drin. Farblich sind die Nudeln eine Augenweide, geschmacklich nicht immer. Einige Sorten schmecken etwas eigenartig teigig. Doch dem kann geholfen werden: Nach dem Kochen einfach etwas fermentierte Säure (z.B. Ume Su oder Apfelessig) zugeben, und sie werden ganz fein. Die Säure verbessert zudem die Aufnahme von Protein im Körper.

Der Puls des Lebens

Mein Highlight auf der Biofach war kein Produkt, sondern eine Person: Dr. Vandana Shiva, die indische Aktivistin, Ökofeministin (ja!) und Trägerin des Right Livelihood Awards, stellte ihr neues Buch vor. So eine tolle Frau kann natürlich nur ein tolles Buch über ein tolles Thema haben, und ganz klar: Hülsenfrüchte. „Pulse of Life“ („Pulse“ ist der englische Begriff für Hülsenfrüchte) heißt es und beleuchtet die Situation des Leguminosen-Anbaus in Indien, inklusive 50 Seiten mit Rezepten. Begleitet wurde sie übrigens von einer weiteren tollen Frau: Auma Obama, der Halbschwester von Barack Obama, die sich mit ihrer Jugendstiftung „Sauti Kuu“ (Kishuali für „Starke Stimmen“) auch für ökologische Landwirtschaft stark macht. Toll!

Vandana Shiva + Auma Obama

Ein weites Feld für Erbse und Bohne

Auf deutschen Äckern passiert auch so einiges Neues. Die seit 2012 laufende Eiweißpflanzenstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft trägt Früchte – und zwar Hülsenfrüchte. Ziel der Eiweißpflanzenstrategie ist Wissen um Anbau und Verarbeitungsmöglichkeiten von Körnerleguminosen zu streuen und zu verbessern. Nach „Lupine“ und „Soja“, ist jetzt das dritte Demonstrationsnetzwerk, diesmal „Erbse und Bohne“ an den Start gegangen. Auf der Biofach gab es Einblicke in die Arbeit der verschiedene Netzwerke und die Hoffnung, dass der vermehrte Anbau von Leguminosen nicht allein die Böden verbessert, sondern auch verstärkt für die menschliche und tierische Nahrung genutzt werden kann. Sehr spannendes Projekt!

Eiweisspflanzenstrategie

Die Hülsenfrucht aus dem Dschungel

Eine freudige Entdeckung habe ich ganz am Ende meines zweitägigen Besuchs auf der Biofach gemacht: Getigerte Dschungel-Erdnüsse. Erdnüsse sind ja keine Nüsse, sondern Hülsenfrüchte. Diese besondere Sorte wächst nur in Indonesien, auf den Inseln Java und Flores. Sie schmeckt intensiver als die herkömmliche Erdnuss und ist auch weicher. In Deutschland gibt es sie wohl bislang noch nicht zu kaufen. http://www.lewiorganics.com

Jenseits der Hülsenfrüchte

Auf der Biofach gab es natürlich auch sonst noch so einiges zu entdecken. Und da mein Herz besonders für „Out-of-box-Denker“ schlägt, stelle ich hier ein paar davon vor:

Vom Fliegenfänger zum Insektenretter: Insect Respect
Als der Unternehmer Dr. Hans-Dietrich Reckhaus für die Markteinführung seiner neuen Fliegenfalle die Künstlerzwillinge Frank und Patrik Riklin vom Atelier für Sonderaufgaben beauftragte, eine Marketingidee zu entwickeln, geriet Dr. Reckhaus plötzlich selbst in die Falle; in die Gewissensfalle. Denn die zwei querdenkenden Riklins forderten den Unternehmer kurzerhand auf, doch mal den Wert eines Insekts zu hinterfragen und auch das Verhältnis von Mensch und Insekt zu beleuchten. Der Biologe Edward Wilson weiß: „Ohne Insekten überleben die Menschen nur wenige Monate.“ Insekten sind wahre Alleskönner, sie halten die Pflanzenwelt am Leben, stärken die Widerstandskräfte der Natur, machen Böden fruchtbar, produzieren Nahrungsmittel und Textilien, und vieles mehr. Bei Dr. Reckhaus, dem Insektenbekämpfer in zweiter Generation, begann ein Umdenkungsprozess. Er liess von Biologen berechnen, wie stark Biozide die Insektenpopulationen beeinträchtigen. Aus den Berechnungen wurde ein Modell für Ausgleichsflächen abgeleitet, das fortan als Basis für Insect Respect, dem weltweit ersten Gütezeichen für Insektenschutzmittel mit Ausgleichsflächen, gilt. Dr. Reckhaus hat jetzt die erste bekämpfungsneutrale Produktlinie ins Leben gerufen. Respekt!
www.insect-respect.org


 

GutDing will Tatkraft haben
Agapis und Rados Gesichter sind zwar nicht auf ihren Aufstrichgläsern zu sehen, doch sie sind die Köpfe dahinter. Mit ihrem Wunsch, der Natur und ihren Kreisläufen wieder nahe zu sein, begannen sie ihr komplettes Leben umzukrempeln und sogar ein gesamtes Dorf aufzubauen. Dort stellt das herzerfrischende Paar seine leckeren veganen und vegetarischen
Aufstriche her und upcycelt Plastik, Holz und Textilien zu nützlichen Unikaten. Auf ihrer Webseite http://handeln-ist-gold.de/ gibt Agapi kreative Einblicke in den Dorf-Neustart, und auf http://gutding.org geht’s zu Rados kreierten Aufstrichen.

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Wenn weniger einfach besser ist: Laloa Icepops
Die Mitarbeiter einer Kreativagentur in Nürnberg liessen einfach mal alles weg, was ihrer Meinung nach nicht in ein Eis gehört: Stabilisatoren, Emulgatoren, Konservierungsstoffe, aber auch Eier, Plastikstiele und Kunststoffverpackungen. Stattdessen suchten sich die Eis-Neulinge beste Bio-Zutaten, schnitzten Holzstäbchen aus deutscher Buche, hielten Ausschau nach kompostierbaren Bio-Kunststoff für die Verpackung und entwickelten ein verschmitztes Design für alles. Herausgekommen ist u.a. Spinat-Kiwi, Zitronen-Aloe Vera, Erdbeer-Tequila am Stiel. Alles handgemacht, super lecker und leider bislang nur in Nürnberg erhältlich: http://laloa-icepops.de/

Laloal

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